"Diese Menschen sind nicht behindert, diese Menschen werden behindert!"

In einer sehr gut - auch von Betroffenen - besuchten Veranstaltung im Peter-Rantzau-Haus in Ahrensburg gab Johannes Köhn, Rechtsanwalt und hauptamtlicher Geschäftsführer der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V., einen umfassenden Überblick über die rechtliche und menschliche Situation von Menschen mit Behinderungen.

Köhn zeigte eindrucksvoll die historische Entwicklung im Bewusstsein der Bevölkerung und der damit einhergehenden politischen und rechtlichen Entscheidungen auf. Diese Entwicklung ist erfreulicherweise positiv: Vom Ausmerzen behinderter Menschen unter den Nazis über das Ausgrenzen in speziellen Einrichtungen in der Nachkriegszeit bis hin zur vollständigen diskriminierungsfreien Teilhabe heute - die es zwar noch nicht gibt, die aber eine klare Forderung der Behindertenrechtskonvention der Vereinigten Nationen ist. Köhn fasste die Philosophie, die hinter der Konvention steht, so zusammen: "Diese Menschen sind nicht behindert, diese Menschen werden behindert!"

Und die Zahl der Menschen, die behindert werden, ist nicht gering: Fast jeder achte Bundesbürger gehört dazu: 9,7 Millionen, davon 7,1 Millionen Schwerbehinderte. Diese Zahlen steigen noch an, nicht etwa, weil mehr Menschen mit Behinderungen zur Welt kommen (die machen nur 20% aus und ihre Zahl ist sogar rückläufig), sondern weil die Menschen immer älter werden und geradezu in die Behinderung hineinwachsen.

Die Bundesrepublik hat das UN-Übereinkommen von 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erst vor 4 Jahren in Kraft gesetzt. Dies mag erklären, dass viele Forderungen der UN-Konvention, die gleichrangig mit der für Menschrechte ist, noch nicht umgesetzt wurden. Ein anderer Grund ist sicherlich, dass die Umsetzung dieser Rechte (zum Beispiel Barrierefreies Bauen oder das Persönlliches Budget) auch mit einigen Kosten verbunden sind. Köhn beklagt hier widersprüchliche juristische Entscheidungen: Die Sozialgerichte würden in Streitfällen der UN-Konvention folgen, die Verwaltungsgerichte aber den Kostenersparnis-Argumenten. "Hier fehlt ein Bundesverfassungsgerichtsurteil!" so Köhn.

In Blick auf Schleswig-Holstein sprach Köhn Lob und Tadel aus. Zwar sei das Land Spitzenreiter bei der Teilhabe von Schülern mit Behinderungen (50% gingen schon auf eine Regelschule), andererseits sei im Koalitionsvertrag der Landesregierung nichts aus dem von den Verbänden erhobenen Forderungskatalog zu finden. Außerdem gäbe es keine Landesarbeitsgemeinschaft (wie in Hamburg), es gäbe keinen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention und die Landes-Bauordnung müsse noch geändert werden.

In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden viele seiner Forderungen bekräftigt. Es zeigte sich, dass es noch einen großen Informationsbedarf auf diesem Gebiet gibt. So tauchte die Frage auf, ob und wie der Fahrdienst für Menschen mit Behinderungen in Stormarn in Anspruch genommen werden könne. Damit zeigte sich wieder, dass die alte Forderung der Grünen nach einem "Soziallotsendienst" im Kreis immer dringender zu wiederholen ist.

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